Interview mit Timon Gremmels MdB
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2021 Bessere Rahmenbedingungen für Mieterstrom
BVI-Magazin: Das EEG 2021 trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Was sehen Sie als weitere Meilensteine des Gesetzes?
Timon Gremmels: Seit das Ziel der Klimaneutralität für Deutschland gesetzlich verankert worden ist, steht fest: Unsere Stromversorgung muss bereits in gut 20 Jahren, also etwa in 2040, vollständig auf Erneuerbaren Energien basieren. Doch es reicht nicht aus, nur abstrakte Ziele zu definieren. Vielmehr müssen wir anhand von klaren und verlässlichen Pfaden aufzeigen, wie diese Ziele auch erreicht werden sollen. Mit dem EEG 2021 konnten hierfür einige grundlegende Fortschritte erzielt werden, insbesondere in dem von mir verantworteten Bereich der Solarenergie: Mit der vollständigen EEG-Umlagebefreiung von Solaranlagen bis 30 kWp sind Solaranlagen von Privathaushalten und auf Eigenheimen seit Anbeginn dieses Jahres vollständig von der EEG-Umlage befreit. Mit der spürbaren Entschärfung des sogenannten Atmenden Deckels, der die Fördersätze neuer Solaranlagen kontinuierlich absinken lässt, sorgen wir für langfristig wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Neuanlagen. Mit weitgehenden Verbesserungen für die Pioniere der Energiewende und ihre sog. Ü20-Anlagen stärken wir die Investitionssicherheit und das Vertrauen in das bürgerschaftliche Engagement für die Energiewende. Ganz besonders freue ich mich aber über die umfassende Reform des Mieterstroms, die einer urbanen und zugleich sozial gerechten Energiewende neuen Schwung verleiht.
BVI-Magazin: Immobilienverwalter scheuen vor allem die vielen bürokratischen Hürden, die mit dem Projekt Mieterstrom verbunden sind. Diese beginnen bei der Versicherung, der Anmeldung des Stromzählers, der Umsatzsteueranmeldung und reichen bis hin zur Einholung von drei Angeboten, die – vor allem in ländlichen Gebieten – oftmals einfach nicht existieren. Welche Erleichterungen kann es für diese Prozesse künftig geben?
Timon Gremmels: Es ist kein Geheimnis, dass der Mieterstrom die großen Erwartungen bislang nicht erfüllen konnte. Noch zögern die Akteure bei der Erschließung von Dachflächen in Stadtquartieren, potenzielle Investoren schrecken vor bürokratischen Hürden und rechtlichen Unwägbarkeiten zurück. Als SPD-Bundestagsfraktion hatten wir CDU-Wirtschaftsminister Altmaier bereits vor zwei Jahren aufgefordert, den Mieterstrom umfassend zu novellieren; im Herbst 2019 hatten wir sogar eine eigene Gesetzesnovelle in die Diskussion eingebracht. Dass es uns nun im EEG 2021 gelungen ist, die SPD-Vorstellungen weitestgehend durchzusetzen und weitreichende Verbesserungen für den Mieterstrom zu erzielen, die der Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (GdW) als „kleine Sensation“ bezeichnet, erachte ich daher als großen Erfolg dieser Legislaturperiode.
Die erzielten Verbesserungen betreffen zunächst und vor allem die Förderhöhe des sogenannten Mieterstromzuschlags, der endlich auf ein wirtschaftlich attraktives Niveau von bis zu 3,79 Cent je kWh angehoben werden konnte. Daneben haben wir vor allem bürokratische Hürden adressiert: Zum einen können Mieterstrom-Lieferungen künftig auch durch Dritte vorgenommen werden, sodass der Anlagenbetrieb künftig durch den Eigentümer durchgeführt werden kann, während die – organisatorisch aufwändigere – Abwicklung der Stromlieferungen durch einen Energieversorger erfolgt. Die bislang praktizierten Pachtmodelle sind damit nicht mehr zwingend erforderlich, um Mieterstrom-Projekte zu realisieren. Selbst Quartierslösungen sind nun grundsätzlich möglich, sodass künftig auch Gebäude im Umfeld mit Mieterstrom versorgt werden können.
Die entscheidende Verbesserung aber liegt wohl darin, dass Hauseigentümer und Wohnungsbaugesellschaften ihre Mieterinnen und Mieter künftig auch direkt mit Mieterstrom beliefern dürfen, ohne ihre gewerbesteuerliche Privilegierung zu verlieren. Im Ergebnis steht ein Maßnahmenbündel, das Hauseigentümern und Wohnungsbaugesellschaften wirtschaftlich attraktive Mieterstrom-Modelle ermöglicht, Mieterinnen und Mieter von günstigem Solarstrom profitieren lässt – und die urbane Energiewende spürbar voranbringen wird.
BVI-Magazin: Für viele Wohnungseigentümer in Bestandsbauten ist bspw. das Heizen mit Solarthermie ein Luxusproblem. 30 oder 40 Jahre alte Bauten haben zumeist viele Baustellen. Für eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) stellt sich damit die Frage, womit sie mehr Kosten einspart: mit einer Fassadendämmung, einer Dachsanierung oder mit ein paar kWp über Solarstrom? Ein großer Kritikpunkt am EEG 2021 ist zudem die Beibehaltung der EEG-Umlage. Wird es hier Nachbesserungen geben, um auch wirtschaftliche Anreize für den Einbau von erneuerbaren Energieanlagen zu schaffen?
Timon Gremmels: Das Ziel der SPD-Bundestagsfraktion ist klar: Eine Solaranlage sollte möglichst auf jedes Haus. Mit der vollständigen EEG-Umlagebefreiung bis 30 kWp und den grundlegenden Verbesserungen beim Mieterstrom haben wir die entscheidenden wirtschaftlichen Voraussetzungen für dieses Ziel im Bereich der Einfamilien- und der Mietshäuser bereits geschaffen. Für Eigentümergemeinschaften hingegen, das ist der Wermutstropfen des EEG 2021, bleibt noch viel zu tun. Denn der umlageprivilegierte Eigenverbrauch setzt auch im EEG 2021 eine strikte Personenidentität zwischen Anlagenbetreiber und Stromverbraucher voraus. Der gemeinschaftliche Betrieb einer Solaranlage auf dem Dach einer Eigentümergemeinschaft bleibt damit mit kaum zu überwindenden Hürden verbunden.
Als SPD-Bundestagsfraktion hätten wir gemeinschaftlich betriebene Solaranlagen über das in der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie explizit vorgesehene Energy Sharing gerne auch in Deutschland legalisiert. Da CDU/CSU und Bundeswirtschaftsministerium nicht bereit gewesen sind, vom Prinzip der strikten Personenidentität abzuweichen, konnten wir das Energy Sharing bislang lediglich als Arbeitsauftrag in einem Entschließungsantrag des Deutschen Bundestages zum EEG 2021 festhalten. Wir arbeiten jedoch weiterhin daran, das Energy Sharing im EEG zu verankern – und Eigentümergemeinschaften den gemeinschaftlichen Betrieb einer Solaranlage zu ermöglichen.
Über Timon Gremmels MdB:
Geboren am 4. Januar 1976 in Marburg, evangelisch. Studium der Politikwissenschaft mit den Nebenfächern Rechtswissenschaften sowie Friedens- und Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg, 2003 Abschluss als Diplom-Politologe.
Seit 2019 Vorsitzender der SPD im Bezirk Hessen-Nord. Seit November 2019 stellvertretender Landesvorsitzender der Hessen-SPD. 2009 bis 2017 Mitglied des Hessischen Landtages, ab 2011 energiepolitischer Sprecher und ab 2014 stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.
Seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages, Mitglied der Parlamentariergruppen Indien, Russland und Kanada.
Timon Gremmels
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion
SPD-Fraktion