Wallboxen in der WEG
Elektrische Ladeinfrastruktur als privilegierte bauliche Maßnahme
Seit dem 1. Dezember 2020 hat im Grundsatz jede Wohnungseigentümerin und jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf, dass ihr oder ihm auf eigene Kosten der Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug gestattet wird. Der (kurzfristig ausgeschöpfte) Topf für die Förderung privater Wallboxen über die KfW wurde um 300 Mio. Euro aufgefüllt. Die Schaffung von E-Ladestationen gehört damit weiterhin zu den heißesten Themen im WEG-Recht.
Anspruch auf Lademöglichkeit
Die Schaffung einer Lademöglichkeit für E-Fahrzeuge gehört gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG zu den privilegierten baulichen Veränderungen, auf die jeder Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Anspruch hat. Der Anspruch bezieht sich auf das Gemeinschaftseigentum. Demgegenüber hat der einzelne Wohnungseigentümer grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft auf einer gemeinschaftlichen Fläche eine Ladestation errichtet oder dem bauwilligen Wohnungseigentümer gestattet, auf der gemeinschaftlichen Fläche eine Ladestation zu errichten, um dort sein Elektrofahrzeug beliebig lange abstellen zu können. Der Wohnungseigentümer muss vielmehr das Recht haben, das E-Fahrzeug für die Zeit des Ladevorgangs (bei 11 kW Ladeleistung kann der Ladevorgang bis zu 7 Stunden dauern) im Bereich der Lademöglichkeit abstellen zu können. In der Regel benötigt der bauwillige Wohnungseigentümer also ein exklusives Gebrauchs- oder Mitgebrauchsrecht (z. B. Sondereigentum an Garage oder Stellplatz, Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz, von der Gemeinschaft angemietete Stellfläche).
Beschluss erforderlich
Der bauwillige Wohnungseigentümer darf nicht eigenmächtig handeln, sondern es bedarf immer einer vorherigen Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümer müssen einen Beschluss zum „Ob“ und einen Durchführungsbeschluss zum „Wie“ der baulichen Veränderungen fassen. Für sämtliche Beschlüsse genügt die einfache Mehrheit. Während der Beschluss zum „Ob“ in der Praxis keine Probleme bereitet, liegen die Herausforderungen bei der Vorbereitung und Fassung des Beschlusses zum „Wie“ der verlangten Maßnahmen, also im Bereich des Durchführungsbeschlusses. Im Rahmen des Durchführungsbeschlusses haben die Wohnungseigentümer ein Ermessen. Sie können entscheiden, ob dem Wohnungseigentümer die Durchführung der erforderlichen baulichen Veränderungen auf eigene Kosten gestattet wird (Gestattungsbeschluss) oder ob die Wohnungseigentümergemeinschaft die erforderlichen baulichen Veränderungen durchführt (Vornahmebeschluss), ebenfalls auf Kosten des bauwilligen Wohnungseigentümers.
Gestattungsbeschluss
„Verwalter, ich habe einen Anspruch auf eine Lademöglichkeit für mein Elektrofahrzeug; kümmere Dich um alles Erforderliche!“ Diese Auffassung ist falsch. Hier hat der bauwillige Wohnungseigentümer eine „Bringschuld“ und muss sämtliche entscheidungserheblichen Tatsachen, Angebote, Alternativlösungen, Ausführungsvarianten, Plan über die Leitungsführung etc. zu liefern und damit die für die Ermessensentscheidung der Wohnungseigentümer relevanten Unterlagen und Informationen beibringen.
Vornahmebeschluss
Wenn die Gemeinschaft die Ladeinfrastruktur für den bauwilligen Wohnungseigentümer schaffen will, gelten im Prinzip die gleichen Grundsätze wie bei der Planung und Durchführung umfangreicher Erhaltungsmaßnahmen. Im Regelfall erfolgt die Beschlussfassung im gestuften Verfahren unter Beteiligung von Sonderfachleuten. Hier treffen den Verwalter die Informations-, Hinweis-, Vorbereitungs- und Beschlussformulierungspflichten, wie sie im Rahmen des normalen Erhaltungsmanagements gelten.
Kostentragung durch die Bauwilligen
Sämtliche Kosten und Folgekosten haben ausschließlich die bauwilligen Wohnungseigentümer zu tragen; auch nur ihnen gebühren die Nutzungen. Dies ergibt sich aus § 21 Abs. 1 WEG. Unabhängig hiervon ist anzuraten, im Rahmen der Beschlussfassung neben der baulichen Veränderung und deren Finanzierung auch die Kostentragung deklaratorisch mitzu- beschließen, um Klarheit zu schaffen.
Das Nachzüglerthema
Der Verwalter wird vor neue Herausforderungen gestellt, wenn später weitere Wohnungseigentümer ihren Anspruch auf Mitnutzung der Ladeinfrastruktur gemäß § 21 Abs. 4 WEG geltend machen. Es können Kapazitätsprobleme auftreten, die durch weitere kostenintensive bauliche Veränderungen („Aufrüstung“) gelöst werden müssen. Diese Kosten haben die Ladeinfrastruktur exklusiv nutzenden Wohnungseigentümer ebenfalls alleine zu tragen, welche zudem eine „Betriebsgemeinschaft“ bilden. Der von der Gemeinschaft durch Beschluss festgelegte Ausgleichsbetrag ist von dem Nachzügler an die Gemeinschaft zu zahlen und wird vom wirtschaftlichen Ergebnis her über die Jahresabrechnung an diejenigen Wohnungseigentümer ausgeschüttet, welche die Ladeinfrastruktur ursprünglich finanziert haben. Bei den erforderlichen Beschlussfassungen haben sämtliche Wohnungseigentümer ein Stimmrecht und nicht etwa nur diejenigen Wohnungseigentümer, welche die bauliche Veränderung ursprünglich beschlossen und bezahlt haben.
Marcus Greupner
www.heberling-kollegen.de