Effizienter heizen dank hydraulischem Abgleich
Rund 35 Prozent der Endenergie in Deutschland werden für Gebäude, vor allem für die Heizung und für Warmwasser aufgewendet. Ein hydraulischer Abgleich hilft, die dafür benötigte Energie sinnvoll einzusetzen, zu sparen und vor allem Verluste zu vermeiden – und trotzdem alle Räume auf eine angenehme Temperatur zu erwärmen.
Fast jeder kennt das Problem: Egal, wie weit man die Heizung auf- oder zudreht – ein Heizkörper wird nur lauwarm, der andere dagegen zu heiß und Strömungsgeräusche stören die nächtliche Ruhe – oder die Heizung rauscht, gluckert oder pfeift. Der Grund liegt meist im fehlenden hydraulischen Abgleich. Um das festzustellen, genügt es, mit der flachen Hand über den Heizkörper von oben nach unten zu streichen. Gibt es einen großen Temperaturunterschied zwischen oben und unten, ist der Heizkörper vermutlich nicht hydraulisch eingestellt.
Energie und Geld sparen bei mehr Komfort
Ob der Heizkörper hydraulisch bereits abgeglichen wurde, kann bei einigen Thermostatventilen auch optisch überprüft werden. Nach dem Abnehmen der Thermostatkappe ist dies am Einstellring zu erkennen, der die Einstellwerte mit Zahlen abbildet. Die Einstellung „N“ zeigt, dass keine Einstellung vorgenommen wurde.
Das Wasser im Heizungssystem sucht grundsätzlich den Weg des geringsten Widerstands. Das heißt: Wasser fließt eher durch kurze und dicke statt durch lange und dünne Heizungsrohre. Dadurch kann es sein, dass Heizkörper in Zimmern, die vom Heizkessel weiter entfernt sind, zu wenig Heizwasser abbekommen und nicht richtig warm werden. Das ist nicht nur ungemütlich, sondern verschwendet auch Heizenergie. Umgekehrt können Heizkörper, die nah am Kessel liegen, zu heiß werden. Das heißt, bei nahen Räumen mit zu viel Wasserdruck kann das Thermostatventil nicht regeln. Oft wird bei solchen Problemen einfach die Wassertemperatur oder der Pumpendruck erhöht – das ist aber keine energiesparende Lösung. Zudem können dadurch an Abzweigungen oder Ventilen Strömungsgeräusche entstehen. In solchen Fällen sollte man einen hydraulischen Abgleich vornehmen lassen. Der bringt nicht nur mehr Komfort, sondern hilft auch, einfach und kostengünstig viel Energie und damit auch Geld zu sparen.
Fachbetriebe beauftragen
Ein hydraulischer Abgleich, also eine Vordruckeinstellung am Heizkörper, sorgt dafür, dass durch alle Heizkörper die „richtige“ Warmwassermenge fließen kann: Ein Fachbetrieb stellt alle Rohr- und Heizkörperventile so ein, dass an jedem Heizkörper so viel warmes Wasser ankommt, wie tatsächlich gebraucht wird, um den Raum zu heizen. Dadurch werden alle Räume bedarfsgerecht versorgt – die Heizung funktioniert geräuschfrei und Thermostatventile können tatsächlich, wie angegeben, regeln.
Für einen hydraulischen Abgleich wird die Heizlast für jeden Raum berechnet, also der Wärmeverlust unter definierten Randbedingungen – einer für die Region festgelegten winterlichen Außentemperatur und einer Raumtemperatur. Mit einer anschließenden Druckverlustberechnung werden die realen Druckverhältnisse im Heizungssystem ermittelt. Überdies wird für jeden Heizkörper berechnet, welche Wassermenge hindurchfließen muss, um die definierte Wärmemenge für den Raum zu erreichen. An den Ventilen an den Heizkörpern wird der notwendige Vordruck auf die berechneten Wassermengen eingestellt. Zudem wird die Heizungspumpe auf den notwendigen Fließdruck eingestellt.
Grundsätzlich für alle Gebäude sinnvoll
Wenn es darum geht, eine Heizungsanlage bedarfsgerecht einzustellen, ist ein hydraulischer Abgleich grundsätzlich für alle Gebäude sinnvoll, unabhängig vom Baujahr. Zur Berechnung der Einstellwerte an den Ventilen gibt es eine Reihe brauchbarer Softwarelösungen auf dem Markt. Je nach Anbieter und Aufwand variieren die Kosten für den hydraulischen Abgleich durchaus stark. Es lohnt sich deshalb, Vergleichsangebote einzuholen.
Im Zuge der zuvor erwähnten Druckverlustberechnung des Heizungsnetzes ist es auch sinnvoll, eine effiziente Umwälzpumpe einbauen zu lassen, deren Leistung nach den ermittelten Druckverlustwerten ausgelegt wird.
Das Sparpotenzial durch einen hydraulischen Abgleich liegt vor allem in der verringerbaren Leistung der Umwälzpumpen und dem damit insgesamt reduzierten Strombedarf sowie im verringerten Brennstoffeinsatz; der konkrete Effekt hängt von der Anlage ab. Wenn zum Beispiel die Leistung einer Umwälzpumpe von 100 Watt auf drei Watt verringert werden kann, ist das beachtenswert. Auch die Energieträgermenge lässt sich im Idealfall um bis zu 40 Prozent reduzieren!
Staatliche Förderung möglich
Bis zu 20 Prozent der Kosten für einen hydraulischen Abgleich können staatlich gefördert werden. Wichtig ist, dem Anlagenbetreiber die vollständigen Berechnungs- und Nachweisunterlagen auszuhändigen. Dazu gehören:
- Dokumentation der Raumheizlast und der Wärmeleistung jedes Heizkörpers,
- Ventileinstellwerte,
- Vorlauftemperatur,
- Pumpeneinstellung.
Es bietet sich an, alle Daten im sogenannten Strangschema abzubilden, weil so Klarheit und Übersichtlichkeit möglich werden. Damit können jederzeit Einstellwerte geprüft und bei Änderungen am Gebäude oder in der Raumnutzung kann der Abgleich einfach korrigiert werden.
Über Prof. Dr. Martin Neumann:
Dr.-Ing. Martin Neumann, Professor für Technische Gebäudeausrüstung (TGA) an der Hochschule Magdeburg-Stendal, ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im Bereich Wärme – Kälte – Schallschutz. Von 2017 bis 2021 war er Mitglied des 19. Deutschen Bundestages und Sprecher für Energiepolitik der FDP-Bundestagsfraktion.
Prof. Dr. Martin Neumann
Professor für Technische Gebäudeausrüstung (TGA)
Prof.M.Neumann_at_web.de
Prof. Dr. Martin Neumann, FDP