Bestandsschutz ja oder nein?
Muss mein Aufzug an den Stand der Technik angepasst werden?
Wenn es um die Frage geht, ob ein Aufzug modernisiert werden muss oder nicht, fällt immer wieder einmal der Satz: „Es gibt doch einen Bestandsschutz!“ Aber ist dem wirklich so?
Mit Einführung der derzeit gültigen Fassung der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) zum 1. Juni 2015 ist Paragraf 27 der alten Verordnung weggefallen. Mit diesem „Übergangs-Paragrafen“ genossen Aufzugsanlagen, die vor dem 1. Januar 2005 „befugt errichtet wurden“, eine Art Bestandsschutz. Das bedeutet, dass mit der alten Verordnung keine Anpassungen an den jeweils sich weiterentwickelnden Stand der Technik gefordert wurden.
In der neuen Verordnung ist dies so nicht vorgesehen. Man kann also klar sagen: Nein, es gibt keinen Bestandsschutz! Bedeutet dies aber nun, dass alle Aufzugsanlagen an den jeweiligen Stand der Technik angepasst werden müssen? Dazu kann man mit einem klaren Jein antworten: Die Frage, ob bei einer Bestandsanlage technische Nachrüstungen erforderlich sind, kann nicht pauschal beantwortet werden.
Betreiberpflicht: Sichere Verwendung
Zuerst ist es wichtig zu wissen, dass die Betriebssicherheitsverordnung gar nicht dafür sorgen soll, dass alle Aufzüge dem jeweiligen Stand der Technik entsprechen. Vielmehr hat jeder Betreiber von Aufzugsanlagen laut § 4 Absatz 1 Ziffer 3 BetrSichV festzustellen, dass die Verwendung der Anlage nach dem Stand der Technik sicher ist. Es geht also um die sichere Verwendung, wobei sich dieser Begriff sowohl auf die eigentlichen Benutzer des Aufzugs als auch auf Personen bezieht, die eine berufliche Tätigkeit an der Anlage ausführen, also zum Beispiel der Wartungsmonteur oder auch der Prüfsachverständige.
Der aktuelle Stand der Technik richtet sich nach den jeweils gültigen Errichtungsnormen, zum Beispiel der DIN EN 81-20. In diesen Normen sind die Anforderungen an die Beschaffenheit einer Aufzugsanlage beschrieben, die eine sichere Verwendung garantieren sollen.
Risiken bei Abweichungen vom Stand der Technik
Zur Beantwortung der Frage, ob eine Anlage sicher verwendet werden kann, muss also festgestellt werden, ob die Anlage dem Stand der Technik entspricht, mit anderen Worten: ob die Sicherheitsbauteile, die heutzutage die Verwendung der Anlage sicher machen, vorhanden sind, oder eben nicht. Wenn nicht, dann spricht man von Abweichungen vom Stand der Technik.
Wenn eine Anlage vom Stand der Technik abweicht, dann bedeutet das aber noch nicht, dass sie sofort modernisiert werden muss. Die Abweichungen werden nämlich laut DIN EN 81-80 in drei sogenannte Prioritätsstufen eingeteilt, die sich nach dem Gefährdungspotenzial richten. Bei niedriger Priorität hat man länger Zeit, eine erforderliche Anpassung an den Stand der Technik vorzunehmen, als bei einer mittleren oder gar einer hohen Priorität.
Gefährdungsbeurteilung und Sicherheitsanalyse
Wie kann ein Betreiber eines Aufzugs nun feststellen, ob die Anlage sicher ist oder in einem Zustand, der gewisse Gefährdungen mit sich bringt? Die BetrSichV sieht dafür in § 3 eigentlich eine sogenannte Gefährdungsbeurteilung vor, beschränkt aber bei Aufzugsanlagen die Verpflichtung auf Arbeitgeber im Sinne von § 2 Absatz 3 des Arbeitsschutzgesetzes. Arbeitgeber in diesem Sinne ist man dann, wenn eigene Mitarbeiter den Aufzug als Arbeitsmittel verwenden.
Für alle Betreiber von Aufzügen, die nicht Arbeitgeber in diesem Sinne sind, genügt es, von einer fachkundigen Person eine Sicherheitsanalyse zum Stand der Technik erstellen zu lassen. Damit kann der Betreiber feststellen, ob bei der Anlage Abweichungen vom Stand der Technik bestehen, die einen kurzfristigen Handlungsbedarf mit sich bringen. Dies kann besonders dann der Fall sein, wenn die Abweichungen ein hohes Gefährdungspotenzial bedeuten, also eine hohe Prioritätsstufe darstellen.
Wie sicher ein Aufzug tatsächlich ist, kann immer nur in der Gesamtschau bewertet werden. Wenn nämlich eine Abweichung vom Stand der Technik mit hoher Priorität besteht, so kann es durchaus sein, dass durch andere komplementäre Sicherheitskomponenten das Gefährdungspotenzial und damit die Prioritätsstufe gesenkt werden.
TÜV-Plakette genügt nicht
Übrigens: Wenn im Prüfbericht des TÜV kein Mangel ausgewiesen ist, heißt das nicht automatisch, dass alles in Ordnung ist. Der TÜV führt nämlich keine umfassende Sicherheitsanalyse der Anlage durch. Vielmehr wird vor allem der ordnungsgemäße Zustand der Anlage durch eine Sicht- und Funktionsprüfung beurteilt. Das Wissen, ob die eigene Anlage sicher ist oder ob Handlungsbedarf besteht, ist eine Holschuld des Betreibers.
Eine Gefährdungsbeurteilung bzw. eine Sicherheitsanalyse zum Stand der Technik sollte zudem alle fünf bis zehn Jahre auf ihre weitere Gültigkeit überprüft werden.
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Uwe Rexroth
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