Geruchsentwicklungen in Wohnhäusern – wie damit umgehen?
Geruchsentwicklungen in Wohnhäusern und in Büroräumen können zu Beschwerden führen, die häufig an den Immobilienverwalter herangetragen werden. Wird das Thema ignoriert, weil man sich zum Beispiel uneinig ist, ob überhaupt ein Grund zur Beschwerde vorliegt, kann das in gerichtlichen Auseinandersetzungen gipfeln. Damit ist jedoch meistens weder den Nutzern noch den Eigentümern des Gebäudes geholfen, denn vor Gericht geht es oftmals nicht um die Behebung des Geruchsproblems, sondern darum, wer für den Schaden verantwortlich ist.
Besser ist es, die Frage zuerst geeignete Sachverständige klären zu lassen. Sie können mit einem kleinen Team aus zertifizierten Geruchsprüfern bei einem Ortstermin feststellen, ob überhaupt Gerüche vorliegen, die für die Nutzung der Räume nicht akzeptabel sind, und damit entscheiden, ob Handlungsbedarf besteht – oder ob die Gerüche unauffällig sind.
Aufgrund des „Charakters“ eines Geruchs lassen sich dessen mögliche Ursachen eingrenzen und die Geruchsquellen lokalisieren. Die folgenden Fallbeispiele zeigen unterschiedliche Geruchsprobleme und deren Ursachen.
Geruchsentwicklungen durch Fußbodenbeläge
Bei der Verlegung elastischer Fußbodenbeläge kann es unter bestimmten Voraussetzungen zu Geruchsentwicklungen kommen, die nicht mit dem Neugeruch der Beläge zusammenhängen. Der Neugeruch wird im Laufe einiger Wochen nach der Verlegung immer schwächer und ist nach einer bestimmten Zeit nicht mehr wahrnehmbar. Die beanstandeten Gerüche hingegen treten erst im Laufe einiger Wochen bis Monate nach der Verlegung auf.
Die Gerüche sind stechend, leicht alkoholisch und teilweise mit einem zitrusähnlichen Geruch verbunden. Sie werden nicht ständig in gleicher Intensität wahrgenommen. Andere nutzungsbedingte Gerüche, zum Beispiel Koch-, Rauch- oder Kaffeegeruch, überlagern den stechenden Geruch. Hinzu kommt, dass jeder Gerüche unterschiedlich wahrnimmt. So empfinden einige einen bestimmten Geruch als angenehm, während andere diesen als unangenehm oder gar belästigend empfinden. Das hängt damit zusammen, dass das Gehirn Gerüche stark mit Erinnerungen und Emotionen verknüpft.
Die Geruchsintensität wird ebenfalls individuell unterschiedlich wahrgenommen: Die meisten haben eine mittlere Geruchssensibilität, während einige einen sehr guten, andere einen sehr schlechten Geruchssinn haben. So nehmen zum Beispiel manche bereits sehr viel geringere Geruchsstoffkonzentrationen wahr als andere. Ist man länger Gerüchen ausgesetzt, nimmt die Geruchsstärke-Empfindung ab: Man gewöhnt sich an den Geruch.
In den von der Autorin bearbeiteten Fällen ließen sich mit chemisch-analytischen Material- und Luftuntersuchungen die chemischen Verbindungen identifizieren, die für die Geruchsentwicklung verantwortlich waren. In einigen Fällen waren es Phenole und Kresole, die zur Geruchsentwicklung führten, in anderen Fällen waren es die Alkohole wie 1-Nonanol, 6-Methyl-1-octanol und 2-Ethylhexanol, die den auffallend stechenden, teilweise zitrusartigen Geruch verursachten. Diese Geruchsstoffe sind Sekundäremissionen, die sich unter feucht-alkalischen Bedingungen aus den in den Belägen zum Teil als Weichmacher und Flammschutzmittel eingesetzten Verbindungen abspalten. Zur Sanierung genügt es oftmals nicht, die Bodenbeläge zu erneuern; denn die Geruchsstoffe dringen auch in den Estrich ein und sind im Laufe mehrerer Wochen und Monate wieder in der Raumluft wahrnehmbar.
Abwassergerüche
Abwassergerüche können erfahrene Sachverständige gut und sicher identifizieren. Vorrangig geht es bei solchen Geruchsfällen darum, die Geruchsquelle zu finden. Problematisch dabei ist, dass Abwassergerüche sporadisch und unregelmäßig auftreten, sodass sich an manchen Tagen sehr intensive Geruchsauffälligkeiten beobachten lassen, an anderen Tagen dagegen Raumnutzer keine Gerüche wahrnehmen. Da dieses unregelmäßige Auftreten eine Überprüfung vor Ort erschwert, werden zum Beispiel mit einem Blower-Door-Ventilator unterschiedliche Luftdruckverhältnisse zwischen Innenraum und Außenluft künstlich erzeugt oder die vorhandene Lüftungstechnik im Gebäude so eingestellt, dass ein Unterdruck entsteht. Damit können unabhängig von den natürlichen Luftdruckverhältnissen Abwassergerüche aus Undichtigkeiten im Abwassersystem über die vorhandenen Leckagen in die Innenräume gezogen werden. Um die Austrittsstelle der Gerüche und damit die Undichtigkeitsstellen am Leitungssystem sichtbar zu machen, kann während des Unterdrucks Theaternebel in das Abwassersystem eingeleitet werden, der dann an den undichten Stellen austritt. Liegen die Austrittsstellen an den Abwasserleitungen in Schächten oder hinter Verkleidungen, ist die Suche aufwendiger und mit Bauteilöffnungen verbunden.
Gerüche durch Schadstoffe in älteren Gebäuden
Durch die Instandsetzung älterer Gebäude oder zum Beispiel die Aufstockung einer Etage auf ein Flachdach kann es zu Geruchsbelastungen in den Innenräumen kommen. Meistens liegt die Ursache in alten, geruchsintensiven Baumaterialien, die im Gebäude verblieben sind. Gipskartonplatten, Beton, Estriche und Wandbeläge dichten diese Substanzen nicht ab und werden durchdrungen. Im Einzelfall sind damit sogar Belastungen mit Schadstoffen verbunden, die zu gesundheitlich relevanten Konzentrationen im Innenraum führen.
In den von der Autorin bearbeiteten Schadensfällen waren es PAK-haltige und alkylbenzolhaltige Baumaterialien. PAK sind polyzyklische aromatische Verbindungen, die meist in teerhaltigen Materialien eingesetzt wurden und die teilweise krebserzeugend sind. Typische Baumaterialien sind Parkettkleber, teergebundene Dämmplatten und Abdichtungen sowie Holzschutzmittel.
Die Umbaumaßnahmen und die energetische Ertüchtigung des Gebäudes führen oft zu einem geringeren natürlichen Luftwechsel. Wird nicht zugleich eine Be- und Entlüftungsanlage eingebaut, gibt es bei geschlossenen Fenstern und Türen keinen oder nur noch einen marginalen Luftaustausch: Die alten Schadstoffe gasen aus, reichern sich in der Raumluft an und sind dann auch geruchlich wahrnehmbar. Durch eine Gebäudeerkundung auf Schadstoffe vor Beginn umfangreicher Umbaumaßnahmen lässt sich das oftmals vermeiden.
Ein weiteres Geruchsproblem kann in älteren Fertighäusern aus den 1960er bis 1980er Jahren auftreten. Den modrig-muffigen Geruch verursachen Chloranisole, die sich im Laufe der Jahre aus den Holzschutzmitteln Pentachlorphenol und Tetrachlorphenol und Feuchtigkeit in der Wandkonstruktion bilden. Chloranisole können innerhalb weniger Stunden in Kleidung und Haare eindringen. Die Bewohner solcher Gebäude tragen den Geruch mit sich, was mitunter zur sozialen Ausgrenzung führt. Beim Verkauf solcher Häuser sollten Sachverständige dieses Thema begutachten, denn diese Gebäude zu sanieren kostet ein Vielfaches einer Renovierung.
Nutzungsbedingte Geruchsentwicklungen
Geruchsentwicklungen, die Nutzer verursachen, können sehr vielfältig sein. Durch Undichtigkeiten im Gebäude können zum Beispiel Zigarettenrauch oder Kochgerüche aus einzelnen Wohnungen in Nachbarwohnungen gelangen. Dabei geht es meistens darum, die Übertragungswege der Gerüche aufzuspüren. Eine unsachgemäße Haltung von Katzen und Hunden kann weitere nutzungsbedingte Gerüche verursachen, meist durch Urin. Das wird dann bei einem Mieterwechsel offensichtlich. Dann muss zuerst bei einer olfaktorischen Erkundung mit zusätzlichen UV-Leuchten ermittelt werden, welche Bauteile mit Urin belastet sind. Denn ohne den Rückbau der betroffenen Bauteile lässt sich der Geruch nicht beseitigen.
Die vorgestellten Beispiele, deren Begutachtung und die Ermittlung der Ursachen bilden nur einen Ausschnitt der Geruchsprobleme in Gebäuden. Die Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF e. V.) hat einen Geruchsleitfaden entwickelt, der derzeit überarbeitet und aktualisiert wird. Damit lassen sich Gerüche objektiv und sachverständig einordnen. Die Mitglieder der AGÖF sind in Geruchsfragen besonders geschult und unterziehen sich regelmäßig einer unabhängigen Geruchszertifizierung.
Martina Clemens
Dipl.-Ing. Martina Clemens-Ströwer ist seit 1995 freiberuflich tätig im eigenen Sachverständigenbüro für Baubiologie in Welver. Seit 2001 ist sie öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Schimmelpilze, Gerüche und andere Innenraumschadstoffe. Sie gehört dem IHK-Prüfungsgremium zur Bestellung neuer Sachverständiger für Innenraumschadstoffe an und ist aktives Mitglied im Fachbereich Innenraumhygiene im BVS e. V. Berlin. Seit 2023 ist sie Vorstandsmitglied der AGÖF (Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute e. V.). https//:www.agoef.de