Abb. 2: Imago (geschlechtsreifes Insekt) mit einer Körperlänge von rd. 3 bis 5 mm
In keiner GdWE gern gesehen: Anobium punctatum
Der Gewöhnliche Nagekäfer
An der Oberfläche von Holzbauteilen und hölzernen Einrichtungsgegenständen entdeckt man oft winzige, kreisrunde Löcher mit einem Durchmesser von rund zwei Millimetern. Meist wird das als Mangel an der Holzkonstruktion wahrgenommen, denn diese Beschädigungen verursacht der Gewöhnliche Nagekäfer, ein holzzerstörendes Insekt. Mitunter sind diese kleinen Löcher an antiken Möbeln eine willkommene Erscheinung. In dem Fall gelten sie als „Echtheitsgarant“ sehr alter, historischer Einrichtungsgegenstände. Das führt sogar so weit, dass Replikate künstlich mit diesen Holzwurmlöchern versehen werden, um den Charme eines jahrhundertealten Möbelstücks zu erwecken (Abb. 1). Sofern es sich um diese „Holzwurmlochimitate“ handelt, sind das lediglich optische Erscheinungen, deren Wertung vom Geschmack des Betrachters abhängt. Findet man echte Holzwurmlöcher und dazu noch Indizien eines aktiven Befalls mit einer einhergehenden Substanzzerstörung, braucht man sich über das äußere Erscheinungsbild nicht mehr zu unterhalten. Um die Brisanz eines Befalls besser verstehen zu können, soll nachfolgend kurz die Lebensweise und die Erscheinung der Insekten erklärt werden.
Abb. 1: Neu hergestellter Schrank mit Einstichen, die einen Nagekäferschaden simulieren
Larven als Holzbohrer
Der zu den Anobiiden (auch als Klopf- und Pochkäfer, besser als Nagekäfer bezeichnet) gehörige Gewöhnliche Nagekäfer (Abb. 2) ist der wirtschaftlich wichtigste und am meisten verbreitete Käfer dieser Gruppe. Das Weibchen legt nach der Kopulation im späten Frühjahr oder zeitigen Sommer etwa 20 bis 50 Eier in Holzrisse oder in alte Schlupflöcher ab. Nach einer kurzen Entwicklungszeit schlüpfen die jungen Larven und bohren sich sofort in das Holz. Darin entwickeln sie sich, je nach Holzart und Klimabedingungen, unterschiedlich schnell. Beispielsweise dauert das Larvenstadium im Eichensplintholz rund zwei, im Nadelsplintholz rund vier bis acht Jahre. Diese Entwicklungszeit wird zudem maßgeblich vom Feuchtegehalt und der Temperatur im Holz beeinflusst. So liegt das Temperaturoptimum bei etwa 22 bis 23 Grad Celsius und die optimale Holzfeuchte um 30 Prozent. Bei einem Holzfeuchtegehalt unter 10 bis 12 Prozent (dies entspricht einer Luftfeuchte von 55 bis 60 Prozent) stellen die Larven ihre Entwicklung ein.
Ist die Entwicklung der Larven abgeschlossen, verpuppen sie sich und während der Metamorphose entsteht im Holz der Käfer. Danach schlüpfen die Käfer und hinterlassen an der Holzoberfläche die etwa zwei Millimeter großen, kreisrunden Schlupflöcher. Die Partnerfindung findet an der Holzoberfläche statt und begattete Weibchen legen wieder Eier ab. Damit ist der Entwicklungskreislauf einer Generation abgeschlossen, denn die ausgewachsenen Käfer sterben.
Kühle und feuchte Bereiche bevorzugt
Da die Käfer, wie bereits erwähnt, eher kühlere und feuchte Bereiche bevorzugen, sind sie relativ ortstreu. Zudem ist ihr Flugvermögen, beispielsweise gegenüber dem Hausbock, kaum ausgeprägt. Dadurch ist auch zu erklären, dass Holzbauteile, vor allem Einrichtungsgegenstände, über mehrere Insektengenerationen sehr starke Schäden aufweisen (Abb. 3).
Abb. 3: Zahlreiche 2 mm große Fluglöcher im Splint eines Eichenbalkens
Der Gewöhnliche Nagekäfer befällt vorrangig im Keller verbaute Konstruktionshölzer. Besonders an Keller- oder Erdgeschosstreppen (Abb. 4 und 5), an Holzbalkendecken und Einrichtungsgegenständen im Keller, aber auch an Balkenköpfen, Randdielen und Parkett in Nassbereichen (Abb. 6) sind Fluglöcher und Fraßgänge der Käfer zu finden. In den Dachstühlen wird er nur dann auftreten, wenn es Stellen gibt, wo es durchregnet, oder die Dachverbandshölzer infolge falscher Nutzung (zum Beispiel als Wäschetrockenplatz), mangelhafter Dämmung oder fehlender Belüftung zu feucht werden. Weit verbreitet ist das Insekt auch in sakralen Gebäuden und Museen, wo es teilweise immense Schäden an Kulturgütern hinterlässt.
Abb. 4: Hölzerne Kellertreppe mit Bohrmehl vom Gewöhnlichen Nagekäfer
Den Fachmann zurate ziehen
Für eine sichere Beurteilung der Insektenaktivität und Einschätzung des Befallsumfangs ist unbedingt ein Fachmann einzuschalten (siehe untenstehende Bemerkung). Zwar deuten helle Bohrmehlhäufchen (Abb. 6 und 7) und frische Ausflugslöcher auf einen Befall hin, sind jedoch nicht immer ein zwingender Beweis eines lebenden Befalls. Es ist möglich, dass Antagonisten oder Sekundärinsekten frisches Bohrmehl ausgeworfen haben. Diese Differenzierung kann der Laie nicht vornehmen.
Abb. 6: Frische Bohrmehlhaufen in einem Bad deuten auf einen aktiven Befall hin.
Abb. 7: Nicht jeder frische Bohrmehlhaufen stammt vom Gewöhnlichen Nagekäfer.
Erst wenn zweifelsfrei eine Insektenvitalität nachgewiesen wurde, die seit Kurzem auch durch akustische Detektionsgeräte möglich ist, kann über sinnvolle und wirtschaftliche Bekämpfungsstrategien nachgedacht werden. Auch dabei muss nicht immer der Einsatz von Holzschutzmitteln im Vordergrund stehen. Es können neben dem Heißluftverfahren auch elektrophysikalische Methoden oder eine Begasung zur Anwendung kommen. Unter gewissen Voraussetzungen ist es auch möglich, den Befall lokal zu bekämpfen und das Umfeld durch Änderung der Klimabedingungen so zu verändern, dass vormals gefährdete Bereiche über ein Monitoring beobachtet werden können. Das dafür nötige Wissen besitzen nur ausgebildete Fachleute.
Ausgebildete Holzschutzfachleute, die auf der Grundlage der DIN 68800, Teil 4, Insektenschäden bewerten können, findet man unter anderem im Deutschen Holz- und Bautenschutzverband e. V. (DHBV, www.dhbv.de). Als ö. b. u. v. Sachverständiger für Holzschutz steht auch der Verfasser (Tel. 0172 9248041) zur Verfügung.
Ekkehard Flohr
EKKEHARD FLOHR ist ö. b. u. v. Sachverständiger für Holzschutz und leitet u. a. den Fachbereich Holzschutz beim Deutschen Holz- und Bautenschutzverband (DHBV).
Deutschen Holz- und Bautenschutzverband (DHBV)