
Mieterstrom im Wohnungseigentum – ein rechtlicher Überblick
In der Verwalterpraxis hat das Thema Versorgung der Wohnungseigentümer und Mieter mit Mieterstrom unter anderem durch Photovoltaikanlagen zunehmend praktische Bedeutung. Mieterstrom wird durch Photovoltaikanlagen auf Dachflächen produziert. Dann ist die GdWE die Betreiberin solcher Photovoltaikanlagen, um die Wohn- und Gewerbeeinheiten der Wohnungseigentumsanlage mit Strom zu versorgen. Mieter haben als Drittnutzer i. S. d. § 13 Abs. 1 WEG den Vorteil, den eigenen Verbrauchsstrom ihrer Einheit direkt von der GdWE über einen Versorgungsvertrag beziehen zu können. Unabhängig davon haben Wohnungseigentümer nach § 20 Abs. 2 Nr. 5 WEG (deren Mieter nach § 554 Abs. 1 Satz 1 BGB) einen Anspruch darauf, zum Beispiel Balkonkraftwerke („Steckersolargeräte“) aufgrund einer Beschlussfassung zu betreiben.
Zur Terminologie
Als Mieterstrom wird Strom bezeichnet, der von Solaranlagen mit einer installierten Leistung von maximal 100 Kilowatt auf dem Dach eines Wohngebäudes erzeugt und von dort direkt, das heißt ohne Netzdurchleitung an Letztverbraucher in diesem Gebäude oder in Wohngebäuden oder Nebenanlagen im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang geliefert und verbraucht wird (Schneider/Theobald, EnergieWirtschaftsR-HdB/de Wyl § 12 Rn. 29). In manchen Bundesländern ist die Verpflichtung zur Errichtung von Solaranlagen bei Neubauten sogar gesetzlich vorgeschrieben. Derartige Regelungen sieht beispielsweise das Solargesetz Berlin vor. Eigentümer im Sinne der gesetzlichen Regelungen ist hiernach auch die GdWE. Auch andere Bundesländer, unter anderem Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen, haben bereits gesetzliche Regelungen geschaffen (vgl. Bruckwicki, NVwZ 2024, 309).
Umsetzung des Vorhabens
Die Errichtung und der Betrieb der Solaranlage können durch Beschlussfassung projektiert und dann umgesetzt werden. Dabei werden unterschiedliche Stufen (Vorbefassung und Umsetzung von Eigentümerbeschlüssen) durchlaufen. Die Grundlagen und deren wirtschaftliche Umsetzung, das heißt, auch das „Ob“ und das „Wie“ der Einholung von Genehmigungen und die Beantragung von Fördermitteln regelt die GdWE durch Beschluss. Beschlussfassungen erfolgen in einzelnen Stufen. Erstens ist über die Errichtung zu beschließen (Stufe 1). Die weitere Beschluss-fassung umfasst die Finanzierung (Stufe 2). Auf der weiteren Stufe werden im Allgemeinen der Betrieb und die vertraglichen Verhältnisse der Stromversorgung der Selbstnutzer und Mieter mit dem erzeugten „Mieterstrom“ geregelt (Stufe 3).
Zur Rechtlichen Einordnung
Bei der Projektierung und der Errichtung einer Photovoltaikanlage handelt es sich um eine Modernisierungsmaßnahme i. S. d. § 555b Nr. 1 BGB. Die Errichtung der Anlage kann durch die GdWE über eine Beschlussfassung als bauliche Veränderung i. S. d. § 20 Abs. 1 WEG projektiert und umgesetzt werden (Hügel/Elzer, WEG, § 20 Rn. 34 ff.). Die Errichtung einer Photovoltaikanlage zur Erzeugung von Mieterstrom kommt den Selbstnutzern und den Mietern zugute. Die Errichtung einer Solaranlage auf dem gemeinschaftlichen Eigentum Dachfläche „nutzt“ allen Wohnungseigentümern der GdWE.
Für die Praxis ist zu empfehlen, bereits bei der Frage des „Ob“ der Umsetzung auch technischen Sachverstand, zum Beispiel einen Planer, mit der Umsetzung zu beauftragen. Schließlich sind Photovoltaikanlagen zur Erzeugung von Mieterstrom mit dem Gebäudedach als Trägergerüst eine bauliche Einheit. Die statischen Voraussetzungen und die baurechtlichen Voraussetzungen müssen vorhanden sein oder geschaffen werden. Die GdWE ist technisch und wirtschaftlich „Stromproduzentin“ und kann Verträge zur Stromversorgung mit den Wohnungseigentümern und Drittnutzern abschließen.
Ein Mehrheitsbeschluss über die Umsetzung der Maßnahme sollte meines Erachtens berücksichtigen, dass bereits die Errichtung einer Solaranlage durchaus förderfähig ist. Beschließen die Wohnungseigentümer gemäß § 21 WEG mit mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und mehr als der Hälfte der Miteigentümer die Errichtung der Anlage, tragen alle die Kosten nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile. Neben der Kostentragung muss eine Beschlussfassung auch klar und deutlich herausstellen, wie die Nutzungsfaktoren anzusetzen sind (vgl. Riecke, ZWE 2022, S. 20 ff.). Die Nutzungen kommen bei einer Photovoltaikanlage allen Wohnungseigentümern zugute. Neben den wirtschaftlichen Nutzfaktoren findet auch Berücksichtigung, über welchen Zeitraum – dies können beispielsweise 30 Jahre sein – die Kosten kompensiert werden.
Achtung
Bei der Abrechnung und der Einordnung des Mieterstroms sind die Besonderheiten des EEG zu berücksichtigen. Bei dem Entgelt für den Mieterstrom handelt es sich nicht um eine klassische Einspeisevergütung (vgl. Frenz, ZNER 2017, 342). Nach § 42a Abs. 1 EnWG findet § 21 Abs. 3 EEG Anwendung, sodass ein Mieterstromzuschlag zu berechnen ist. Darauf besteht jedoch nur ein Anspruch für Strom aus Solaranlagen, die auf, an oder in einem Wohngebäude installiert sind (Theobald/Kühling/Wagner/Schubert, EnWG, § 42a Rn. 15). Der Stromliefervertrag darf nicht Gegenstand des Mietvertrags sein. Es besteht ein Koppelungsverbot. Verstöße gegen § 42a Abs. 2 S. 1 und S. 7 EnWG haben die Nichtigkeit des Bezugsvertrags zur Folge (Ehring, EnZW 2018, 213, 215).
Fazit
Die Umsetzung eines Mieterstromkonzepts kann sich für die GdWE und die Mieter wirtschaftlich lohnen. Die Gebrauchsvorteile kommen sowohl Wohnungseigentümern als auch den Mietern zugute. Der Bezug von Mieterstrom kann für alle Beteiligten wirtschaftlich sinnvoll sein.
Kontakt

Kai-Uwe Agatsy
Rechtsanwalt KAI-UWE AGATSY ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und betreibt die „Kanzlei im Bötzowviertel“ in Berlin.
Kanzlei im Bötzowviertel