Der WEG-Mieter fährt Tesla – die Ladesäule im Mietrecht
Im Jahr 1888 konstruierte der Coburger Andreas Flocken das erste vierrädrige Elektroauto und eröffnete so den Einstieg in die Welt der Elektromobilität. Mit einem hochrädrigen Kutschenwagen, der mit einem 0,7 kW starken Elektromotor ausgestattet war und in der Spitze 10 km/h erreichen konnte, revolutionierte er damals die Fortbewegung.
Heute, 134 Jahre später, in Zeiten, in denen das aktuell weltweit stärkste E-Auto eine Spitzenleistung von 1020 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 322 km/h erreichen kann, in Zeiten, in denen in Deutschland bis heute rund 800.000 E-Autos zugelassen wurden, in solchen Zeiten ist nicht nur eine Anpassung der Infrastruktur, sondern auch eine der Gesetzeslage erforderlich.
Wo hat der Gesetzgeber bereits gehandelt? Wie wirkt sich der Vormarsch der Elektromobilitätsbewegung im WEG und im Mietrecht aus? Vor welchen Herausforderungen stehen Wohnungseigentümer und Vermieter?
Bis Ende 2020 fehlte eine gesetzliche Regelung zur Umsetzung von Infrastrukturen für E-Mobilität auf Privatgrundstücken gänzlich. Auch kam es im Rahmen der Vermietung einer Eigentumswohnung ohnehin immer wieder zu Friktionen infolge unterschiedlicher Gesetzesvorgaben für das Mietrecht und das WEG-Recht.
Welche Neuerungen gibt es im Mietrecht?
Zum 1. Dezember 2020 wurde der bisherige § 554 a BGB abgeschafft und der neue § 554 BGB trat in Kraft, fast wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für die Mieterschaft; denn die vorstehende Regelung räumt ihr einen Gestattungsanspruch zu baulichen Veränderungen ein, die unter anderem dem Laden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen dienen.
Mit der Schaffung des § 554 BGB soll die breitere Nutzung von E-Mobilität durch bequemeren Zugang zu Ladestationen gefördert werden, damit die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung schneller erreicht werden können.
Eine Einschränkung des Anspruchs findet sich im § 554 Abs. 1 BGB. Der Gesetzgeber hat folgerichtig erkannt, dass der Anspruch auf eine bauliche Veränderung durch einzelfallbedingte Umstände eine Härte bedeuten kann, die für den Vermieter nicht zumutbar ist. Zu denken ist hier an die allgemeine Erhaltung der Bausubstanz, an Rückbauinteressen bei Auszug des Mieters sowie an technische Begleitumstände wie die Vorab-Schaffung der elektrischen Infrastruktur im Mietobjekt als Grundvoraussetzung für den Einbau einer Ladestation. Solche vermieterseitigen Interessen können dazu führen, dass in einer Gesamtabwägung der Anspruch des Mieters auf eine bauliche Veränderung durch die Installation einer Lademöglichkeit zurückstehen muss. Gerade diese gesetzliche Ausgestaltung ist ein fruchtbarer Boden für Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern. Um dieses Streitpotenzial zu reduzieren, regelt § 554 Abs. 1 S. 3 BGB die Möglichkeit, dass der Mieter dem Vermieter eine Sicherheit leisten kann.
Dieser Regelungszusatz kann der Vermieter jedoch nicht dazu nutzen, den Mieter durch das Verlangen einer hohen Sicherheitsleistung von dem Begehren nach Satz 1 abzubringen. Vielmehr soll die Gestellung einer mieterseitigen Sicherheit nur dem Unzumutbarkeitsargument des Vermieters entgegenstehen.
Welche vertraglichen Ausgestaltungsformen sind möglich?
Zu konkreten einzelfallbezogenen Vertragsgestaltungsfragen können die Parteien sich immer noch des Grundsatzes der Privatautonomie bedienen und eine diesbezügliche individualvertragliche Vereinbarung treffen. Vertragliche Vereinbarungen, die dem Mieter den Anspruch auf die Errichtung einer Ladesäule versagen, sind allerdings laut § 554 Abs. 2 BGB von Beginn an unwirksam.
Als durchaus überraschend nahmen die Größen des Mietrechts allerdings die Änderung des § 578 BGB wahr, der vollumfänglich auf den neuen § 554 BGB verweist und dessen Anwendbarkeit im Gewerbemietrecht regelt.
Wie werden das WEG und das Mietrecht in Einklang gebracht?
Korrespondierend zu der Neufassung des § 554 BGB trat im Rahmen der WEG-Reform zum 1. Dezember 2020 die Regelung des neu gefassten § 20 WEG in Kraft.
Diese Vorschrift ist im Bereich des Gestattungsanspruchs in Bezug auf die Errichtung einer Ladesäule kongruent mit dem Regelungsgehalt des § 554 BGB. Dadurch, dass der Gesetzgeber den Bau einer Lademöglichkeit für elektrisch betriebene Fahrzeuge nun als privilegierte Maßnahme im Sinne des WEG kategorisiert hat, kann auf Verlangen eines einzelnen Wohnungseigentümers kein Beschluss mehr gefasst werden, in dem das „Ob“ der Errichtung negativ beschieden wird. Lediglich das „Wie“ ist im Beschlusswege in der Eigentümerversammlung zu thematisieren. Ein Gestattungsausschluss findet sich auch hier im vierten Absatz des § 20 WEG wieder. Dieser besagt, dass die Errichtung dann nicht beschlossen, gestattet oder verlangt werden darf, wenn die bauliche Veränderung zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führt oder ein Wohnungseigentümer durch die bauliche Maßnahme ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt wird.
Melina Pier
Rechtsanwältin
Wanderer und Partner Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB