Für die Zukunft gut gerüstet
In welcher Höhe sollten Eigentümer finanzielle Rücklagen für Instandhaltungen bilden?
Die Bildung von Erhaltungsrücklagen gehört zur ordnungsgemäßen Verwaltung von Wohnungseigentümergemeinschaften und wird auch im Wohnungseigentumsgesetz empfohlen (§ 19 Abs. 2 Nr. 4). Aufgrund steigender Preise für Sanierungsmaßnahmen und des coronabedingten Sanierungsrückstaus stellt sich jedoch für Eigentümer und Immobilienverwalter die Frage, wie hoch die jährliche Einzahlung in die Rücklage sein sollte – und ob Anpassungen erforderlich sind.
Das Wohnungseigentumsgesetz verpflichtet Eigentümer zum Erhalt des Gemeinschaftseigentums. Dazu zählt die Bildung einer „angemessenen Erhaltungsrücklage“. Doch was genau bedeutet „angemessen“? Gerade in den aktuellen Krisenzeiten ist die Kalkulation einer angemessenen Rücklage schwierig. Laut Statistischem Bundesamt sind die Preise für Instandhaltungsmaßnahmen von August 2021 bis August 2022 um 16,2 Prozent gestiegen – und das Plateau ist voraussichtlich noch nicht erreicht.
Wie wird die Höhe berechnet?
In der Regel macht die Immobilienverwaltung einen Vorschlag zur Höhe der Erhaltungsrücklage. Dazu kann sie auf unterschiedliche Berechnungsgrundlagen zurückgreifen. Laut § 28 der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) des Wohnungsbaugesetzes richtet sich die Höhe der Erhaltungsrücklage für den sozialen Wohnungsbau ausschließlich nach dem Alter des Gebäudes. Als Instandhaltungskosten dürfen demnach je Quadratmeter im Jahr angesetzt werden:
- 7,10 Euro bei Gebäuden, die bis zu 21 Jahre alt sind
- 9 Euro bei Gebäuden, die zwischen 22 und 31 Jahren alt sind
- 11,50 Euro für Gebäude, die älter als 32 Jahre alt sind
Obwohl sich die Gesetzgebung auf den sozialen Wohnungsbau bezieht, kann sie auch auf das Wohnungseigentum angewandt werden. 2015 urteilte ein Amtsgericht, dass als Anhaltspunkt für die Höhe der Erhaltungsrücklage die für den öffentlich geförderten Wohnungsbau gemäß § 28 Abs. 2 II. BV geltenden Instandhaltungspauschalen angewandt werden können. Die Wohnungseigentümergemeinschaft musste daraufhin die monatliche Zuführung von 2,50 €/m² auf 7,10 €/m² erhöhen.
Die gebräuchlichste Regelung zur Berechnung der Rücklage ist die sogenannte Peterssche Formel. Sie ist das Ergebnis einer statistischen Auswertung aus den 1980er Jahren und beruht auf der Annahme, dass – bei einer Nutzungsdauer des Gebäudes von 80 Jahren – der 1,5-fache Wert der ursprünglichen Baukosten für die Erhaltung aufgewendet werden muss.
Dabei zu beachten ist, dass sich die Berechnung auf das komplette Wohngebäude bezieht und keinen Unterschied zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum macht. Da statistisch gesehen nur rund 70 Prozent der Instandhaltungskosten auf das Gemeinschaftseigentum entfallen und 30 Prozent auf das Sondereigentum, muss diese Verteilung bei der Berechnung berücksichtigt werden.
Kritik an der Vorgehensweise
Die dargestellten Vorgehensweisen haben jedoch zwei Haken: Sie beziehen nur einen kleinen Teil vielfältiger Faktoren zur Berechnung ein und beruhen auf veralteten Daten aus den 1980er Jahren. Folgende Faktoren werden dabei außer Acht gelassen:
- Steigende Kosten für Arbeitslöhne der Handwerker in den vergangenen 30 Jahren
- Steigende Kosten für Baumaterialien
- Energetische Sanierungsmaßnahmen
- Technische Weiterentwicklung (zum Beispiel Aufzug, Treppenlift)
- Ausstattung des Gebäudes
- Reparaturanfälligkeit
- Allgemeinzustand
- Veränderung der Gesetzeslage (zum Beispiel Brandschutzmaßnahmen)
Die Gegenseite zu Zinsen: Baupreisindex
Es steht eine wichtige Sanierungsmaßnahme an – welcher Immobilienverwalter oder Eigentümer kennt diese Situation nicht? Die Fragen sind nun: Reichen die erforderlichen Mittel aus der Rücklage aus? Soll die WEG ein Darlehen aufnehmen? Oder doch lieber die Maßnahme auf die lange Bank schieben? In unserer Grafik, die an eine Auswertung des Statistischen Bundesamts angelehnt ist, stellen wir die steigenden Kosten für Instandhaltungen unseren Zinskonditionen gegenüber. Hier wird deutlich: Die Instandhaltungskosten schwanken, wohingegen der Zinssatz der TEN31 Bank AG konstant bleibt. Daher ist es aktuell ratsam, notwendige Maßnahmen kurzfristig umzusetzen, anstatt diese auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern.
Weiterhin ist bei der korrekten Bildung der Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft ein Aspekt komplett unberücksichtigt: Oft differieren das Baujahr und die Aufteilung des Grundstücks. Das bedeutet, dass die WEG wesentlich später entstanden ist und die Erhaltungsrücklage erst ab dem Jahr der Aufteilung gebildet werden kann. Die Gebäudesubstanz ist allerdings bereits einige Jahre älter. Auch wenn sich dies im besten Fall im Kaufpreis der einzelnen Sondereigentumseinheiten widerspiegelt, ist die rechtsfähige Person der WEG von Beginn an unterfinanziert.
Eine perfekte Formel zur Berechnung gibt es nicht
Anhand der Auflistung wird deutlich: Die Berechnung der Erhaltungsrücklage ist komplex. Es wird nicht möglich sein, alle Faktoren zu berücksichtigen und die perfekte Erhaltungsrücklage zu bilden – auch wenn manche Eigentümer dies glauben.
Dem Verwalter sind hier jedoch nicht die Hände gebunden – gewisse Maßnahmen kann er ergreifen:
- Angebote im Blick halten
- Frühzeitige Ansprache von Sanierungsmaßnahmen
- Frühzeitige Ansprache der Erhöhung von Erhaltungsrücklagen
- Erstellung langjähriger Instandsetzungspläne
Was tun, wenn die Erhaltungsrücklage nicht ausreicht?
Trotz guter und umsichtiger Planung durch den Immobilienverwalter kann es sein, dass die Erhaltungsrücklage für anstehende Sanierungsmaßnamen nicht ausreicht, zum Beispiel durch die sprunghaft gestiegenen Kosten für Handwerker und Baumaterialien. In diesen Fällen hat die Wohnungseigentümergemeinschaft zwei Möglichkeiten, vorübergehende Engpässe zu überbrücken:
- Erhebung einer Sonderumlage
- Aufnahme eines WEG-Darlehens
Mit beiden Vorgehensweisen lassen sich Sanierungsmaßnahmen zeitnah umsetzen, was vor allem bei den stetig steigenden Preisen bei Rohstoffen und im Handwerk sinnvoll erscheint. Vorteil der zweiten Variante: Bei einer Darlehensaufnahme werden die vorhandenen Erhaltungsrücklagen geschont und können zum Beispiel für kleinere Reparaturen genutzt werden. Ebenfalls kann die Zufuhr zur Erhaltungsrücklage reduziert werden, da die Maßnahme zeitnah umgesetzt wird.